2.
Biografische Spuren
In dem kurzen Gedicht „Hälfte des Lebens“ lassen sich eine ganze Reihe biografischer Spuren nachweisen.
Schematischer Lebenslauf



Spuren
1.
Das Land, das in den See „hänget“, erinnert an eine schwyzer-deutsche Redewendung. Es mag sein, dass Hölderlin die gesamte Szenerie der ersten drei Verse während seines Aufenthaltes in Hauptwil (1801) beobachtet und hier in ein Gedicht umgesetzt hat.

2.
Es liegt nahe, die „trunkenen Küsse“ der Schwäne in Verbindung zu bringen mit der leidenschaftliche Beziehung zu Susette Gotard aus der Frankfurter und Homburger Zeit.
3.
Bei dem „Weh mir“ am Beginn der 2. Strophe ist der biografische Bezug besonders deutlich. Zur Zeit der Entstehung des Gedichtes 1802-1804 ist Hölderlin am Ende. Seine Hoffnungen, als Dichter anerkannt zu werden, sind gescheitert. Die großen Vorbilder in Weimar und Jena zeigen ihm die kalte Schulter. Sein Lebenstraum, von der Dichtung zu leben, hat sich verflüchtigt. Seine „Aussiedlung“ nach Frankreich“ endet in einer völligen Zerrüttung von Psyche und Körper. Der „Hyperion“ erbringt nicht den erhofften finanziellen Erfolg. Seine Gedichte finden keinen Verleger. 1802 ist Susette gestorben. Er lebt in Nürtigen, finanziell von seiner Mutter abhängig oder in Homburg, wo er von Sinclair unterstützt wird . Das „Weh mir…“ ist also nicht nur eine gelungen lyrische Figur, sondern ein existentieller Aufschrei, ein beinahe kreatürlicher Klageruf. Ein Leser kann sich der mächtigen Wirkung dieser Verse kaum entziehen. Das hat dazu beigetragen, dass „Hälfte des Lebens“ zu einem der bekanntesten und bedeutendsten deutschen Gedichten geworden ist.

4.
Ob Hölderlin mit den „kalten Mauern“ schon die Einkerkerung in eine „Irrenanstalt“ vorausgeahnt hat, so wie sie dann 1805 tatsächlich mit der Zwangseinweisung in die Psychatrie der Universitätsklinik Tübingen erfolgt ist?